Unwiderstehlich – die Kunst ein erfüllter Mensch zu sein (Teil 2)

 

In meinem letzten Artikel habe ich darüber geschrieben, was die Zutaten sind, um ein erfülltes Leben zu führen.  Nun wird nicht jeder Mensch mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Wenn ein erfülltes Leben davon abhinge, ob jemand reich, als Kind berühmter Eltern, schön, gesund und talentiert auf die Welt komme, würden viele schon aus dem Glückstopf fallen.

Ich auch. Mein Leben begann mit allen möglichen Stolpersteinen. Meine Mutter hatte ihr erstes Kind, einen Sohn, eine Stunde nach der Geburt verloren. Ihre Schwangerschaft mit mir war begleitet von beständiger Angst vor einer Fehlgeburt. Die Geburt war schwer, aber wir beide schafften es. Nach mir kamen noch 8 weitere Kinder, jede Schwangerschaft war fast unerträglich schwer für sie und immer begleitet von Angst um ihr Leben oder das des Kindes. Unser Elternhaus war einfach, streng katholisch, wir wohnten in einem kleinen Dorf. Wir hatten wenig Geld, alles war knapp. Mein Vater wurde mehr und mehr zum Alkoholiker und gewalttätig, wir hatten Angst vor ihm. Und wir hatten auch schöne Erlebnisse. Ferien bei den Grosseltern, viele Kinder zum Spielen, Natur, Wald, und eine Leihbibliothek, in der ich jeden Sonntag so viele Bücher auslieh wie erlaubt waren. So weit. Hatte ich eine unglückliche Kindheit? Nein, das würde ich heute nicht mehr sagen, denn gerade durch die vielen schlimmen Erlebnisse habe ich eine innere Stärke gewonnen, die mir geholfen hat, die zu werden, die ich heute bin und das zu tun, was ich tue. Ich wuchs zu einem lebendigen, mutigen und risikofreudigen Menschen heran und entwickelte ein unglaubliches Talent, immer das Gute zu sehen und alles dafür zu tun, um es zu erreichen. Es muss also Elemente gegeben haben, die mich unterstützt haben. Ich möchte sie mit dir teilen, denn sie sind jedem zugänglich, er braucht nur hinzuschauen und sie zu nehmen.

1. Ich habe Menschen, die mich freundschaftlich liebevoll fördern

Die erste war meine Lehrerin in den ersten 4 Grundschuljahren. Wir mochten uns, und sie überzeugte meine Eltern davon, dass ich intelligent genug sei, das Gymnasium zu besuchen. Auch später traf ich immer wieder Menschen, die mehr in mir sahen als ich selbst. Lehrer, Priester, Therapeuten, Freunde. Sie ermutigten mich, standen mir zur Seite, traten mir auch manchmal in den Hintern, wenn ich abschlaffte. Jeder Mensch kann sich solche Unterstützer und Begleiter suchen, das ist nicht abhängig vom sozialen Status oder Geld. Ganz im Gegenteil. Gerade in schwierigen Zeiten sind solche „Seilschaften“ geradezu überlebenswichtig. Welche Menschen in deiner Umgebung fördern dich, unterstützen dich, das Beste aus dir zu machen? Such ihre Nähe, lass dich ermutigen, aber auch kritisieren. Nichts ist so wertvoll wie die konstruktive Kritik eines wohlwollenden Freundes oder Mentors. Und sei selber ein Unterstützer für andere, gegenseitige Ermutigung ist unersetzbar.

2. Ich glaube an mich selbst

Kein Geld – kein Job – kein Partner? Dann wird es höchste Zeit, sich zu bewegen. Nämlich weg von einem Selbstwertgefühl, das abhängig ist von Bedingungen und dem, was ich im Leben alles erreicht habe, hin zu der Selbstliebe, die daraus entsteht, dass ich mich selbst anerkenne. Ich bin, und deshalb bin ich liebenswert. Nicht weil ich ein tolles Haus, einen reichen Mann, eine super Lebensversicherung oder die megamässige Karriere habe, sondern einfach weil ich ein Geschöpf Gottes, Teil der Schöpfung bin. Das bedeutet natürlich nicht, dass ich das Recht habe, mich hängen zu lassen, nichts zu tun und mich zu beklagen, wenn etwas einmal nicht so ist wie ich es mir wünsche. Es ist eine Herausforderung, das Beste aus mir zu machen. Ich bin Ehefrau, Therapeutin, Schriftstellerin, Freundin, und alles mit ganzem Herzen und vollem Einsatz. Wenn du Mutter bist, sei die bestmögliche Mutter. Wenn du Friseurin bist, sei die bestmögliche Friseurin. Bist du Putzfrau, putze so, dass jeder Raum, den du putzt, die Liebe widerspiegelt, die du ihm zugefügt hast. Ich erwähne diese Berufe, weil ich in meinem Bekanntenkreis genau solche Menschen habe, und es ist eine Freude, zu sehen, mit welcher Hingabe sie sind, was sie sind.

Hast du keinen Partner, sei dir selber der liebevollste Partner, den du dir wünschen kannst, verwöhne und achte dich selber, beschenke dich, mach dir Komplimente, geh mit dir selber ins Theater, ins Kino, Konzert, Sauna, Wald, was immer dir Freude macht.

Hast du keinen Job? Dann geh deinen Interessen nach, bilde dich weiter, tu das, was du schon immer tun wolltest, jetzt hast du Zeit dazu. Vielleicht kannst du Talente und Fähigkeiten entwickeln, von denen du geträumt hast, aber nie Zeit oder Mut hattest, sie auszuprobieren. Mach was. Häng nicht rum. Bleib wach, aufmerksam und interessiert. Handle so wie du es möchtest, sei aktiv, warte nicht darauf, dass dir die gebratenen Tauben von selber in den Mund fliegen, speziell dann, wenn du an einem Ort bist, an dem es keine Tauben gibt. Geh dahin, wo es sie gibt. Oder iss etwas anderes.

Kein Geld? Dann finde heraus, was es ohne Geld alles an schönen Dingen gibt. Ein Waldlauf kostet nichts, ein Sonnenuntergang auch nicht, auf einer Bank sitzen und Leute beobachten ist ebenfalls kostenfrei. Singen, malen, Menschen treffen, mit denen du etwas unternehmen kannst, kostet auch nicht viel. Schliess dich einem örtlichen Tauschring an, oder engagiere dich in einem sozialen Feld. Tu etwas für andere. Geld ist nicht das Thema, das Thema bist du! Dein Verhalten und Umgang mit dir selber haben Einfluss darauf, ob auch das Geld, die Beziehungen oder der Beruf wieder in Schwung kommen

3.  Ich sehe was ich habe anstatt was mir fehlt

Manchmal sind die Dinge nicht so wie ich sie mir wünsche. Dann hilft es mir, darauf zu schauen, was ich habe, anstatt darauf, was fehlt. Als ich einmal sehr krank war und im Bett liegen musste, war ich nach einiger Zeit äusserst dankbar für die Ruhe, die die Krankheit mir bescherte. Ich konnte zu Hause bleiben, musste nichts tun, mein Mann wusch die Wäsche, kaufte ein und kümmerte sich um mich. Das hatte ich gebraucht, hätte es mir aber sicher nicht zugestanden, wenn ich gesund gewesen wäre. Ich hatte endlich einmal Zeit für mich.  Vielleicht sagst du, ja, aber bei mir kann ich nichts finden, was ich habe. Dann frage ich dich: wie hast du es bis zu diesem Zeitpunkt geschafft, zu überleben?

4. Ich nehme mein Schicksal an

Ich bin überzeugt, dass jeder Mensch in sein Leben geboren wird mit einer Aufgabe, man kann es auch Schicksal nennen. Diese gilt es zu erfüllen, um ein „erfülltes“ Leben zu führen. Tue ich es nicht, ist der Preis, unglücklich, „unerfüllt“ zu sein. Und ich glaube auch, dass jeder seine Aufgabe finden kann. Es gibt keine Entschuldigung für Herumhängen, faul sein, sich beklagen. Und auch kein Mitleid. Ich wähle die Art des Umganges mit meinem Leben selbst.

Ich wollte schon seit ich klein war, Lehrerin werden, später dann Therapeutin. Und ich habe –und tue es immer noch – alles dafür getan, um dieses Ziel zu erreichen und in meinem Beruf das Beste zu geben. Manchmal war es nicht leicht, zu Zeiten dachte ich, es ist nicht zu schaffen. Aber ich wusste, nichts anderes würde mich glücklich machen, und so bin ich immer dran geblieben. Heute kann ich andere Menschen ermutigen und begleiten bei ihrem eigenen Weg und tue das auch sehr erfolgreich.

Neulich sah ich den berühmten Physiker Stephen Hawking in der Freien Universität Berlin und war zutiefst berührt davon, mit welcher Würde er seine körperliche Behinderung trägt. Er leidet an einer unheilbaren Muskelerkrankung, die ihm nur ermöglicht, seine Augenmuskeln zu bewegen und damit einen Sprechcomputer zu betätigen. Im Interview wurde er gefragt, wie er mit dieser Behinderung fertig wird. Seine Antwort war sinngemäss, dass er glücklicher ist als zu der Zeit, als er noch laufen und sich bewegen konnte, weil viele Probleme heute wegfallen. Er hat sein Schicksal angenommen und das Beste aus sich gemacht.

5. Ich nehme mich so an, wie ich bin, mit allem, was zu mir gehört

Ich bin nicht nur gut oder nur schlecht. Wenn ich mich mit allen meinen Teilen annehmen kann, mit mir selber auskommen kann, dann bin ich ein glücklicher Mensch und unwiderstehlich. Mein Freund und Mentor Veeresh Denny Yuson, der selber eine höchst spannende Lebensgeschichte vom Junkie zu einem der erfolgreichsten Therapeuten der Welt durchlaufen hat, drückte es einmal so aus:

„Es gibt einen Mittelpunkt in deinem Leben, den du anerkennen solltest.

Er heisst „AUCH“

Du magst das Gefühl haben, dass du das grösste Arschloch der Welt bist

Und wenn dann jemand kommt und sagt, dass Du sehr schön bist,

wirst du AUCH das annehmen müssen.

AUCH erlaubt dir, zwischen schön und hässlich zu pendeln.

Wenn du lernst, das AUCH anzuerkennen,

ist das wie eine Versicherungskarte, dass du erleuchtet bist.

Die Menschen vergessen häufig das AUCH.

Sie denken, es ist entweder das eine oder das andere.

Nein, es ist immer AUCH, egal was kommt.

Du bist hässlich,

du bist schön,

du bist verwirrt und stehst neben dir,

du weißt nicht, wer du bist, AUCH.

Manchmal bist du AUCH angetörnt oder eine schreckliche Plage, AUCH das.

Manchmal fliesst du AUCH einfach nur:

Alles ist schön und es gibt nichts zu sagen.

Du möchtest wissen, wer Du bist?

Du bist AUCH.

Schliesse niemals irgendetwas aus.

Alles ist immer AUCH.

Wenn du etwas ausklammerst, bist du ein armer Mensch.

Du lässt nicht zu.

AUCH, AUCH, AUCH, AUCH, das bist du.

Wir haben nur eine begrenzte Lebenszeit. In dieser Zeit schliess alles ein.

AUCH, AUCH, AUCH:

Ich hab’s mal wieder versaut, AUCH,

ich fühle mich grossartig, AUCH,

ich hatte den tollsten Orgasmus, AUCH,

es ist daneben gegangen, AUCH.

Wenn du das alles zulässt, ist es schön.

Ich bin schön, weil ich die AUCH’s in mir erlaube.

Ich bin schön, weil ich das Hässliche in mir annehme,

ich nehme es an, dass ich Mist gebaut habe,

ich nehme es an, dass ich mich schuldig fühle,

ich nehme es an, dass ich wünsche, ich könnte es besser machen.

Wenn du jemals in eine Situation kommst, in der du nicht annehmen kannst, was gerade ist,

ist das auch ein AUCH.“

 

6. Ich bin dankbar

Mir selbst gegenüber: Denn ich bin perfekt so wie ich bin.   Den anderen Menschen: Dafür, dass sie in meinem Leben sind und mir erlauben, so zu sein wie ich bin.  Dir, dem Leser dieses Artikels: Denn du hast ihm deine Zeit und dein Interesse geschenkt und dafür danke ich dir.